Saarbrücker Zeitung: Eine Schule macht sich bereit für die Wiedervereinigung

Saarbrücker Zeitung: Eine Schule macht sich bereit für die Wiedervereinigung

Nach dem Sommer fügt sich wieder zusammen, was zusammen gehört: Die drei unteren Jahrgänge der Lutherschule, der Gemeinschaftsschule Stadtmitte, ziehen nach Wiebelskirchen zu den drei oberen. Aber nur vorübergehend. 

Da hatten sie wirklich alle Hände voll zu tun in den letzten Wochen, die beiden Hausmeister der Gemeinschaftsschule Stadtmitte. Ausmisten war angesagt. Sowohl im Hauptgebäude in der Neunkircher Lutherstraße als auch im zweiten, der Freiherr-vom-Stein-Schule in Wiebelskirchen, einem ehemaligen Grundschul-Gebäude, galt es klar Schiff zu machen. Denn der Schule steht Großes bevor. Noch in diesem Jahr geht es los mit dem Neubau der Schule.
Mit 20 Millionen ist diese Investition der größte Investitions-Brocken im aktuellen Haushalt des Landkreises. Insgesamt 18 Schulen liegen unter dessen Trägerschaft. Der letzte Neubau einer Schule war Anfang der 80er der Bau der Anton-Hansen-Schule in Ottweiler.
Pläne aus Luxemburg machen das Rennen
„Das ist seit Jahrzehnten die erste Schule im Saarland, die komplett neu gebaut wird“, das sagt der kommissarische Leiter der Lutherschule. Michael Klepper freut sich besonders darüber, dass man die Schule selbst und die Vorstellungen, die er auf Wunsch eingebracht hat, berücksichtigt hat bei der Entscheidung für die Art des Neubaus. „Das gibt es sicher nicht oft, dass man vom Schulträger gefragt wird, wie man es gerne hätte“, sagt er im Gespräch mit der SZ. Klepper selbst war in der Jury, die die Einsendungen des Architektenwettbewerbs gesichtet hat. Zwar, so verrät er der SZ und blättert durch die verschiedenen Vorschläge, habe er erst einen anderen Favoriten gehabt, aber mit der Entscheidung für den Wettbewerbs-Gewinner – der zeitgleich auch der wirtschaftlich beste Bieter war – ist er sehr froh. Auch, dass
man vom ursprünglichen Plan, einer Schule irgendwo auf der grünen Wiese, wieder abgekommen ist und an die Stelle des alten Gebäudes neu bauen will, findet er gut. Das Rennen gemacht hat übrigens das Architektenbüro S.A. aus dem luxemburgischen Remich.
Das sind wir Gems Nk Stadtmitte: Ein Spiegel des Wohnumfeldes
Klepper, der vor Antritt der kommissarischen Leitung in der Lutherstraße im August 2019 runde 20 Jahre lang an der Ganztagsgemeinschaftsschule in der Neunkircher Haspelstraße
tätig war, davon 15 als pädagogischer Leiter, weiß um das, was an Schulen mit sozialem Brennpunkt wichtig ist. „Hier muss jedes Kind individuell gefördert werden“, sagt der Pädagoge aus Leidenschaft, der deshalb Klassenstärken über 25 Schüler ablehnt. „Das schafft sonst auch der engagierteste Lehrer nicht mehr.“ Die Gemeinschaftsschule Stadtmitte spiegelt das Wohnumfeld wider. Ein Großteil der Menschen hier ist die letzten fünf bis sechs Jahre aus Flüchtlingsländern, Kriegsgebieten wie Syrien und Irak gekommen. Die zweite große Gruppe kommt aus Bulgarien und Rumänien, meist Roma. Dazu kommen Italiener, Türken, Kurden. „Wir nehmen hier den Migrationsdruck auf“, sagt Klepper. Auf der Homepage der Schule sieht man es bunt auf Weiß: 342 Schüler aus 21 Kulturen werden von 35 Lehrern in 15 Klassen unterrichtet. Viele kommen hierher ohne Grundschulbildung. Das braucht besonders engagierte Lehrer. Und die hat Klepper. Darauf ist er stolz. „Sehr jung, sehr engagiert.“ Nicht nur die „normalen“ Lehrkräfte gibt es an seiner Schule, auch Sonderschulpädagogen, Lehrer für Deutsch als Zweitsprache, Fachkräfte ergänzen das Kollegium. Dass sich die individuelle Förderung lohnt, das sieht Klepper in den Ergebnissen bestätigt. „Die Hälfte der zehnten Klassen geht mittlerweile in die Oberstufe oder macht Fachabitur“, sagt Klepper. „Die gehen gut gefördert hier raus.“ Und dann müssen 325 junge Ohrenpaare geklingelt haben. „Mit den Schülern bin ich unheimlich froh. Wir haben durch die Bank nette und gut sozialisierte Kinder.“
Jedem Jahrgang ein Cluster
Die Hälfte davon wird bereits seit dem vergangenen Jahr in der Freiherr-vom-Stein-Schule in Wiebelskirchen unterrichtet, schon seit Jahren aber sind dort wegen Platzmangels in Neunkirchen immer ein, zwei Jahrgänge untergebracht. Nur die Klassen fünf bis sieben sind zurzeit noch in Neunkirchen. Nach diesem Sommer soll der komplette Umzug über die Bühne gegangen sein. Ein paar Klassen werden dann wohl in Container ziehen. „Aber Hauptsache
zusammen“, sagt Klepper. Und spricht damit auch Schülersprecherin Paola Albano und ihrer Stellvertreterin Amanda Ahmetovic aus der Seele (siehe Interview). Bis 2025 soll dann der
Neubau fertig sein. Und der bietet dann nicht nur insgesamt bis zu maximal 600 Kindern Platz sondern auch Dinge, die man in der alten Schule nicht kennt. Eine Aula beispielsweise. „Wenn wir hier was feiern wollen, dann müssen wir in die Turnhalle“, erklärt Klepper. Im Neubau ist direkt neben der Aula der Speiseraum, der auch als deren Erweiterung dient. Von der Aula aus kommt man ins Treppenhaus und in die einzelnen Jahrgangs-Cluster. Ein solches Cluster (auf Deutsch in etwa eine räumliche Konzentration zusammengehörender Dinge) gibt es für jeden Jahrgang: In sich abgeschlossen findet man hier neben den Klassenräumen einen großen unterschiedlich nutzbaren Freibereich und einen Teamraum sowie Toiletten. Dazu kommt der Fachraum-Cluster für Musik, Naturwissenschaften, kleinen Schulgarten. Besonders wichtig
findet Klepper die Freibereiche in den einzelnen Jahrgangs-Clustern. „Da können dann auch die Elternabende stattfinden.“ Zurzeit sei die Einbindung der Eltern noch etwas schwierig.
Teilgebundene Ganztagsschule 

Die Information für die Eltern über wichtige Neuerungen gibt es auf der Homepage der Schule mehrsprachig. So erfahren die beispielsweise auch, dass der Neubau kommt und die Schüler erst mal umziehen müssen. Treffpunkt für die Schüler wird ab dem kommenden Schuljahr morgens dann der Bus-Parkplatz in der Gustav-Regler-Straße sein. Die Fahrt zahlt der Kreis, es fährt die NVG. Keppler hofft, dass das mit den vier Jahren Bauzeit auch wirklich klappt. Schließlich will er in zwölf Jahren in Rente gehen und den Neubau noch einige Zeit genießen können. Eine teilgebundene Ganztagsschule soll die Lutherschule im Neubau dann sein, mit dafür dann auch entsprechend gestaltetem Außenbereich und angedachter Spielstraße im Schulbereich der Lutherstraße.

Die Geschichte der Lutherschule
1741: Fürst Wilhelm Heinrich lästt im Jahr seines Regierungsantritts ein neues
lutherisches Schulhaus erbauen
1866: Erwerb zweier Grundstücke im Distrikt Im Miller an der späteren Viktoriastraße zum Bau einer neuen Schule
1867: Plan wird erstellt und vergeben, ein Jahr später erster Bezug, die evangelische Volksschule Viktoriastraße entsteht
1869: zweiter Bauabschnitt für weitere zwei Klassenräume und zwei Lehrerwohnungen, Einweihung 1870
1880er Jahre: Die Schülerzahlen sind immens gestiegen, neue Schule in der Wellesweilerstraße. Schule Viktoriastraße wird entlastet.
1894: Franz Liebenguth stiftet die heute noch vorm Schulhaus stehenden Kastanienbäume.
bis 1914: wegen Überfüllung wird eine weitere neue Schule gebaut, die Bachschule, später eine weitere in Niederneunkirchen
1918: Teil des Viktoriaschulhauses wird mit französischen Besatzungstruppen belegt.
1923: Die Schule ist wieder frei, wird renoviert.
1933: Die Gasometer-Explosion hat Raumnot zur Folge, in der Viktoriaschule werden Obdachlose untergebracht.
1945: die baufällige ehemalige Viktoria-Schule wird durch einen Luftangriff zerstört
1951: der Neubau der Schule wird geplant
1955: Die neue Schule, wie sie heute noch steht, wird eingeweiht.
2006: Die Hauptschule wird abgeschafft. Die Lutherschule erhält das Realschulsystem II.
2017: Die Schule wird Gemeinschaftsschule Gesamtschulen und Erweiterte Realschulen2017: Die Schule wird Gemeinschafts-schule, Gesamtschulen und Erweiterte Realschulen existieren nicht mehr.
2020: Der Kreistag beschließt den Neubau der Schule in der Lutherstraße, da längst nicht mehr alle Jahrgangsstufen in der Stadtmitte Platz finden. Bis 2025 soll der Neubau fertig sein. 
Quelle: Festschrift zur Einweihung des neuen Schulhauses 1955)

Nach den Ferien geht es los
Doch erst sind nochmal vor allem die Hausmeister gefragt. „Wir sind bereits an allen Ecken und Enden vom Ballast befreit“, resümmiert der Schulleiter. Nach und nach ziehen jetzt die einzelnen Fachräume um. Die letzten zwei bis drei Wochen vor den Ferien wird dann der Rest verpackt und beschriftet. Während der Ferien geht es an die letzte Feinarbeit. Und wenn in der Lutherstraße dann die Abrissbirne anrückt, geht in Wiebelskirchen der Unterricht los – in einer nach Jahren wiedervereinten Schule.

Quelle: Saarbrücker Zeitung 13.04.2021 von Elke Jacobi 

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